Reise nach Germania
Ein Vortrag von Leon Montero
Am 19. Oktober fand die Auftaktveranstaltung unserer kritischen O-Woche statt. Für diese Veranstaltung haben wir Leon Montero im Rahmen seiner Vortragsreihe zum Thema Burschenschaften eingeladen. Unser Bild als linke Hochschulliste von Burschenschaften ist eins von männlich dominierten, elitären und faschistischen Bünden, die sich nach der „Alten Ordnung” sehnen. Leon Montero bestätigte Teile dieser Analyse, erklärte aber auch, dass bei Kritik an studentischen Verbindungen genauer differenziert werden müsse.
Der Großteil der Verbindungen ist im konservativ-liberalen Spektrum angesiedelt, trotzdem sind von den über 1000 Verbindungen in Deutschland, 61 eindeutig rechtsextrem. Aus eigener Erfahrung berichtete Leon über Sexismus gegenüber Frauen, der in den sowieso meist männlichen Verbindungen weit verbreitet ist. Darüber hinaus erklärte er, wie perfide Student*innen-Verbindungen Mitglieder anwerben, auch “keilen” genannt. Die günstigen Zimmerangebote der Verbindungen stehen z.B. bei “WG-gesucht” meistens ganz oben. Geworben wird außerdem mit einer großen Gemeinschaft, die einen gerne aufnimmt. Dadurch sprechen die Verbindungen zwei wesentliche Bedürfnisse von jungen Menschen nach dem Abi an: Bezahlbarer Wohnraum und Anschluss in der neuen Stadt. Gerade hier müsste es mehr linke Gegenentwürfe wie Wohnraum-Projekte geben oder auf der Systemebene die Bereitstellung von bezahlbaren Wohnraum.
Neben Rassismus, Sexismus und rechtsextremen Ideologien ging es im Vortrag auch um die Themen Alkoholkonsum, in Corpo-Kreisen auch “pressen” genannt, und das akademische Fechten (Mensur). Dabei machte Montero transparent, dass er während seiner Recherche in keiner sogenannten “schlagenden” Verbindung war. Dafür berichtete dieser ausführlich über die Gepflogenheiten in Verbindungen und deren regelmäßige Saufexzesse (“Bummelabende”), welche eine identitätsstiftende Funktion erfüllen. In diesem Kontext ging er auch auf den indirekten Zwang zum Saufen ein. Was für manche auf den ersten Blick nach lustigen Abenden klingt, ist am Ende eher anstrengende Arbeit. Egal, ob man Lust hat oder nicht: Gesoffen wird immer und das Erbrechen gehört dazu – auch als persönlicher Einsatz für die Verbindung.
Am Ende seines Vortrags berichtete Leon Montero noch von direktem Rassismus, den er bei rechtsextremen Verbindungen erfahren hatte. Viele Verbindungen, die dem Dachverband der “Deutschen Burschenschaften” angehören, machen aus ihrem Rassismus keinen Hehl: Wer Mitglied werden will, muss einen „Abstammungsnachweis“ erbringen. Auch ein positiver Bezug auf den NS-Staat wird nicht versteckt. Seine Recherchen bei rechtsextremen Verbindungen beschreibt Leon als nicht ungefährlich:Es hätte dort auch anders verlaufen können.
Für uns nehmen wir mit, mehr auf die Aktivitäten von Corpos und Verbindungen zu achten, sowie uns weiterhin aktiv für mehr studentischen Wohnraum einzusetzen!
Zuletzt möchten wir uns als AStA für Alle besonders beim Cinema Ostertor bedanken, dass wir deren Kinosaal und Technik nutzen durften, sowie bei allen Menschen (außer bei den drei Corpos), die gestern dort waren. Wir danken natürlich auch dem Bremer Jugendfonds für die finanzielle Unterstützung.
Für alle, die noch mehr herausfinden wollen, ist hier noch eine Auflistung von studentischen Verbindungen in Bremen.